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Fulham hat eine bewegte Geschichte, der Verein hat so ziemlich alle Höhen und Tiefen mitgenommen, die man als Fußballklub erleben kann. Von der Gründerzeit über die ersten Gehversuche im Ligafußball, von den Wirren des Zweiten Weltkrieges bis zum Erstligafußball der 1960er Jahre. Dann die 70er Jahre, die anstelle von Erstligafußball ein FA-Cup Finale für Fulham bereit hielten. Die bitteren Jahre unter den Präsidenten Clay und Bulstrode, die den Klub Ende der Achziger fast ausbluten ließen. Schließlich die Rettung durch Jimmy Hill und die "neue Zeitrechung" unter Mohamed Al Fayed. Das letzte Jahrzehnt kann wohl als die Hochzeit in der 132-jährigen Vereinsgeschichte gesehen werden - alles gipfelt in dem grandiosen Europa League-Run der 2009/10er Saison.
In dieser Serie soll die 132-jährige Geschichte Fulhams ein wenig nacherzählt werden, mit allen Höhen und Tiefen und den gelegentlichen Kuriositäten, die Fulham begleiteten.
In dieser Serie soll die 132-jährige Geschichte Fulhams ein wenig nacherzählt werden, mit allen Höhen und Tiefen und den gelegentlichen Kuriositäten, die Fulham begleiteten.
In der ersten Ausgabe soll es diese Woche um die Gründungszeit gehen - die ersten 45 Jahre des Vereines, von der Gründung des Vereines bis zur Amtsübergabe von Phil Kelso an Andy Ducat.
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Der Fulham Football Club wurde 1879 von Reverend John Henry Cardwell sowie den lokal bekannten Familien Murdoch und Norman als St Andrew's Church Sunday School gegründet, hauptsächlich, um den Jugendlichen in dem Arbeiterviertel eine Beschäftigung zu geben. Der erst 15-jährige Tom Norman, Sohn von Edward und Lucy Norman, die bei der Gründung des Klubs beteiligt waren, war 15 Jahre lang Spieler im Verein und organisierte gleichzeitig Partien für das junge Team, bei dem zuerst Cricket, nicht Fußball, höchste Priorität hatte.
In den ersten Jahren waren die Ansetzungen oft nicht viel mehr als ein paar Kicks in den zahlreichen Londoner Parks, da es noch überhaupt keine Ligastruktur, Pokals oder adäquate Finanzierung gab.
So musste beispielsweise die Außenwand einer angrenzenden Schule als Tor herhalten.
Im Laufe der kommenden Jahre erfreuten sich die Partien zwischen diesen Gruppen zunehmender Beliebtheit. Die missionarisch betreuten Jugendlichen der Gründerzeit waren erwachsen geworden, und sie gingen die Spiele inzwischen mit wirklicher Ernsthaftigkeit an. Die Suche nach einer sportlichen Heimat wurde nun zu einer Priorität - nach Stops an der Star Lane, die von den Spielern vielsagend als "Mud Pond" (Schlammteich) bezeichnet wurde, in Putney Lower Common, dem Ranelagh Club in der Nähe der Putney Bridge, Parsons Green sowie Eight Bells in der Fulham High Street, sollte der Verein um die Jahrhundertwende im Craven Cottage eine Heimat finden. Doch dazu später.
Am Beginn der Saison 1886/87 wurde der Verein in "Fulham St Andrew's Cricket and Football Club" umbenannt - der Klub erhielt erstmals den Hauptbestandteil des heutigen Namens. Ein Zeichen für die zunehmende Professionalisierung des Vereins. In dieser Saison gewann Fulham, wie es jetzt genannt werden kann, 21 seiner 22 Spiele in der Meisterschaft und gewann den West London Association Cup, in dessen Finalspiel sie St Matthew's mit 2-1 besiegten.
1891 war die Mannschaft der erste Sieger des West London Observer Challenge Cups. Zu diesem Zeitpunkt wurde des simplere Name "Fulham Football Club" übernommen. Der Klub war gereift, zu einem der erfolgreichsten Hauptstadtteams seiner Zeit.
Ebenfalls im Jahre 1891 konnte man einen weiteren Erfolg verbuchen - diesmal auf finanzieller Ebene. Das Team, das nach wie vor ein Nomadendasein in West London führte, konnte erstmals in einem geschlossenen Stadion auflaufen, dem Half Moon in Putney, und somit einen Eintrittspreis verlangen. 3 Pence wurden pro Person verlangt. Teilweise pilgerten schon Tausende von Menschen zu Fulham-Spielen.
Im folgenden Jahr war Fulham Gründungsmitglied der West London League. Und gewann sogleich die erste Ausgabe, mit 16 Siegen und zwei Unentschieden aus 18 Spielen. Teil der Meistermannschaft waren auch Tom Norman und Jack King, zwei der Gründungsmitglieder des Vereins, die schon 1879 mitkickten.
1894 schließlich folgte die große Möglichkeit, endlich vollends zu einem professionellen Fußballklub zu reifen. Ein verfallenes Landhaus, 1780 von Lord Craven erbaut, sollte zur neuen sportlichen Heimat werden. Das Cottage (engl. für Landhaus) wurde wieder errichtet und rundherum Tribünen aufgebaut. Zehn Jahre später wurde von Architekt Archibald Leitch die jetzige Fassade des Stevenage Road Stands (heute Johnny Haynes Stand) errichtet, die typisch ist für die edwardianische Architektur kurz nach der Jahrhundertwende.
Zeitgleich mit dem Wechsel ins Craven Cottage, das heute noch die talismanische Heimstätte des FC Fulham ist, debütierte Fulham in der London League und dem neugegründeten FA Cup.
1903 wurde Fulham in eine Limited (deutsch: GmbH) transformiert. Der Präsident, J.F. Hitchcock, realisierte, dass nur zehn Southern League Second Division-Spiele die Entwicklung des Klubs beeinträchtigen würden und fragte an, ob man Fulham zur First Division zulassen würde. Dies tat man und so war Fulham erstmals erstklassig vertreten.
Für £7,500 wurde der Klub erstligatauglich gemacht. Behilflich waren vor allem "einige einflussreiche Gentlemen aus dem Distrikt". Diese unterschieden sich klar von den Gründervätern Reverend Cardwell und Dr. Murdoch. Acht Vorstandsmitglieder führten nun den Verein, zwei von ihnen stachen heraus: John Dean und Henry Norris. Sie waren erfolgreiche Geschäftsleute aus dem Stadtteil. Dean folgte Hitchcock als Präsident des Vereines nach. Er war der erste Dean im Vorstand - sein Sohn John Bradlaugh Dean sowie seine Enkel folgten ihm nach, sodass von 1903 bis 1977 der Name Dean nahezu in jedem Jahr im Vorstand auftauchte.
Dean führte ein Familienunternehmen in Putney, Deans Blinds. So mancher Spieler arbeitete hier nach Ende der aktiven Karriere. Dean war ein typischer Geschäftsmann der Zeit, gebieterisch und fordernd, gleichzeitig aber engagiert und treu.
Seine erste Amtszeit dauerte bis 1907. Nach einem Streit mit Norris, der auch bei Arsenal Präsident war, verließ er 1910 das "board", kehrte aber 1920 zurück und war von 1925 bis zu seinem Tod 1944 erneut verantwortlich für die Geschichte Fulhams. Nachfolger wurde sein Sohn, John Bradlaugh Dean, der das Amt bis 1958 ausübte.
Norris war 11 Jahre lang Teil der Führungsriege, von 1903 bis 1914. Danach legte er sein Hauptaugenmerk aufgrund von Geschäftsinteressen in Nordlondon bei Arsenal.
Die beiden ambitionierten Männer schafften es, im April 1904 von Arsenal Manager Harry Bradshaw zu verpflichten. Der aus Burnley stammende Bradshaw war somit der erste offizielle Manager des noch jungen Teams. Innerhalb von wenigen Jahren führte er die "Cottagers", wie sie wegen ihrer Bindung an das Craven Cottage fortan genannt wurden, von der Edwardian Third Division in die Football League. 1907/08 erreichte Bradshaws Team das Halbfinale des FA Cups und schaffte fast den direkten Durchmarsch in die First Division.
Obwohl Bradshaw eher als ruhige, besonnene Figur in Erinnerung blieb, wusste er doch vor allem auf dem Transfermarkt genau, was er wollte. Wenn heutzutage viele über die Unbeständigkeit und die Söldnermentalität im Fußball meckern, sollten sie sich die Verhältnisse von vor hundert Jahren vor Augen führen. Bradshaw setze in fünf Jahren Trainerschaft über 70 Spieler ein, darunter seine Söhne Joe (später selber Fulham-Trainer) und Will. Außerdem überwachte er die Umbaumaßnahmen am Craven Cottage, 1904/05.
Fulhams Topspieler zu dieser Zeit waren die drei Defensivspezialisten Arthur 'Pat' Collins, Billy Goldie und Billy Morrison, Torhüter Jack Fryer und Stürmer Bob Dalrymple. Nachdem Norris 1907 dafür gesorgt hatte, dass Fulham an Stelle von Burton United in der Football League teilnehmen durfte, war das Ziel umgesetzt, was die beiden Geschäftsfreunde sich gesetzt hatten: Fulham war angekommen im professionellen Sport, und das nicht nur in der Ligazugehörigkeit. In das Craven Cottage pilgerten regelmäßig über 20.000 Fans, um die Spiele der Cottagers zu sehen. Im März 1908 kamen sogar 40.000, um das Viertrundenspiel Fulhams im FA Cup zu sehen. Gegner war die beste britische Mannschaft dieser Zeit, Manchester United. Fulham besiegte die United-Elf, mit 2-1.
"Taktisch war Fulham den artistischen Mancunians überlegen. Es war ein spannendes Match, ein Sieg, der London die erfreuliche Erkenntnis bringt, dass die Metropolis [also London, Anm. d. Red.] einen würdigen FA-Cup-Sieger hätte", so eine Tageszeitung am folgenden Morgen.
Davor hatte Fulham schon die Lokalrivalen von ManUtd, Manchester City, aus dem Weg geräumt. Erst im Halbfinale war Schluss - in Liverpool setzte es gegen Newcastle United eine krachende 6-0-Niederlage.
Manager Bradshaw beendete die Zusammenarbeit 1909, um Generalsekretär der Southern League zu werden. Sein Nachfolger wurde der Schotte Phil Kelso, der zuvor für die Hibs und Woolwich Arsenal gearbeitet hatte.
Kelso ist bis heute der Trainer mit der längsten Amtszeit in der Geschichte Fulhams. Bis 1924 prägte er die Geschicke der Cottagers, über 15 Jahre lang. Jedoch darf man zweifeln, ob sich das Team unter Kelso weiterentwickelt hat. Man kann das Kapitel wohl treffender mit "consolidation" bezeichnen. Kelso setzte Bradshaws gute Arbeit zwar fort, verpasste aber den Sprung in die erste Liga. Die Tatsache, dass Henry Norris sich zunehmend von Fulham abwandte, mag ein Faktor gewesen sein.
Das auch heute noch bewährte Transferrezept, junge Spieler aus der eigenen Academy mit preiswerten Spielern und Altstars zu mixen, war auch unter Kelso ein probates Mittel.
So spielten für die Cottagers zu dieser Zeit durchaus namhafte Spieler, die ihre Reputationen freilich andernorts erworben hatten. So zum Beispiel der talentierte, aber schwierige Bobby Templeton, der "George Best seiner Zeit", wie ihn Dennis Turner in "Fulham - A Complete Record" beschreibt.
Zu den herausragenden Verpflichtungen Kelsos zählen in erster Linie Wattie White, ein schottischer Stürmer, der über 200 Partien für die Cottagers machen sollte, der Oldie Danny Shea, der erste Spieler, der Jahre vorher, 1913, bei seinem Transfer von West Ham zu Blackburn als erster Spieler weltweit mehr als 2.000 Pfund Ablöse kostete, oder Andy Ducat, der Kelso 1924 beerben sollte.
Jedoch war auch die eine oder andere Kuriosität unter den 120 von Kelso eingesetzten Spielern zu finden, so etwa der Ägypter Hassan Hegazi, der erste Ausländer, der für Fulham die Schuhe schnürte. Der Amateur spielte nur ein einziges Mal, im November 1911. Oder aber der Schwergewichtsboxer und Britische Meister Bill Wells.
Einige Spieler jedoch hinterließen einen bleibenderen Eindruck. Der Keeper Arthur Reynolds etwa, der insgesamt 15 Jahre das Tor Fulhams hütete. Jimmy Torrance, der später Kapitän des Vereins war und über 300 Ligaspiele absolvierte. Oder Frank Penn, der insgesamt 50 Jahre für den Verein tätig war, von 1915 bis 1934 als Spieler auf der Außenbahn, von 1934 bis 1965 als Assistenztrainer. Auch Frank Osborne war nach seiner aktiven Karriere noch über 30 Jahre für den Verein tätig. Als Sportdirektor war er die alles entscheidende Figur in den ersten 20 Jahren nach Ende des 2. Weltkrieges. 1964 verabschiedete er sich in den Ruhestand - zu diesem Zeitpunkt hatte Fulham die Hürde genommen und war für insgesamt elf Jahre erstklassig. Doch dazu später.
Kelsos Karriere ging unrühmlich zu Ende. Im März 1922, Fulham lag vielversprechend auf Platz 4 der Zweitliga-Tabelle, mussten die Cottagers zu einem schwierigen Auswärtsspiel nach South Shields. Kelso soll seinen Spieler Barney Travers dazu angestachelt haben, die gegnerischen Spieler zu schmieren, um Fulham so das Spiel zu "kaufen". Travers wurde von der FA daraufhi lebenslang gesperrt. Doch der wahre Betrüger, Manager Phil Kelso, blieb noch zwei Jahre lang im Amt. Nach der Saison 1923/24 verließ er Fulham und erhielt keine Anstellung mehr bei einem Fußballteam.
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Nächste Woche: Der lange Weg aus der Instabilität in die First Division. 1924-1958.
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