Sonntag, 27. Mai 2012

Historical Notes - Die erste goldene Ära - Weltstars im Fulham-Dress und die Reise nach Wembley. 1958-1975.

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Fulham hat eine bewegte Geschichte, der Verein hat so ziemlich alle Höhen und Tiefen mitgenommen, die man als Fußballklub erleben kann. Von der Gründerzeit über die ersten Gehversuche im Ligafußball, von den Wirren des Zweiten Weltkrieges bis zum Erstligafußball der 1960er Jahre. Dann die 70er Jahre, die vor allem durch das 1975er FA Cup-Finale geprägt wurde. Dann die bitteren Jahre unter den Präsidenten Clay und Bulstrode, die den Klub fast ausbluten ließen. Schließlich die Rettung durch Jimmy Hill und die "neue Zeitrechung" unter Mohamed Al Fayed. Das letzte Jahrzehnt kann wohl als die Hochzeit in der 132-jährigen Vereinsgeschichte gesehen werden - alles gipfelt in dem grandiosen Europa League-Run der 2009/10er Saison.
In dieser Serie soll die 132-jährige Geschichte Fulhams ein wenig nacherzählt werden, mit allen Höhen und Tiefen und den gelegentlichen Kuriositäten, die Fulham begleiteten.


In der dritten Ausgabe soll es diese Woche die erste große Ära Fulhams gehen. Genauer gesagt um die Zeit vom Ende der Zeit von Dug Livingstone bis zum großen FA Cup-Finale 1975, das knapp gegen West Ham verloren wurde
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Es war der einstige Topstürmer Bedford Jezzard, der Livingstone nach der Saison 1957/58 beerbte. "Beddy", wie ihn die Fans liebevoll nannten, war einer der besten Stürmer, die Fulham je hatte. Nach seinem unfreiwilligen Karriereende nach der Saison 1955/56 übernahm er bei Fulham das Reserveteam, also die zweite Mannschaft. Als Livingstone dann den Klub in Richtung Schottland verlassen hatte, übernahm Jezzard das Amt. Er hielt Fulham während seiner sechsjährigen Amtszeit in der ersten Liga und brachte das Team um ein Haar sogar ins FA Cup-Finale.

Er tat dies, ohne großes Geld auszugeben. Der Stamm der Mannschaft war 1963/64 immer noch der der Aufstiegssaison 1958/59, Spieler wie Keeper Tony Macedo, den Defensivspielern Langley und George Cohen, der 1966 einziger Fulham-Weltmeister werden sollte, den Mittelfeldspielern Robson, Keetch und Alan Mullery und der Offensivreihe aus O'Connell, Key, Haynes, Leggat und Maurice Cook kannten den Verein und spielten schon seit Jahren zusammen.
Das Aufstiegsteam 1958/59: Oben (v.l.n.r): Bentley, Mullery, Lawler, Macedo, Cohen und Langley.
Unten (v.l.n.r): Barton, Hill, Cook, Haynes, Leggat.

Die meisten Neuzugänge kamen entweder aus der eigenen Jugend (Rodney Marsh, Steve Earle, Stan Brown, Fred Callaghan) oder kamen ablösefrei. Einzig der von West Bromwich zurückkehrende Bobby Robson und Watfords Bobby Howfield kosteten niedrige Ablösesummen.

Der größte Star dieser Jahre war ganz fraglos Johnny Haynes. Der "Maestro", wie er aufgrund seiner erhabenen und unantastbaren Spielweise genannt wurde. Ist ganz sicher der beste Spieler, den Fulham je hervorgebracht hat. Er wurde 1952 von Dodgin Sen. in die erste Mannschaft hochgezogen, gemeinsam mit seinem Kumpel Trevor 'Tosh' Chamberlain. Er war ein hervorragender Taktiker und Passspieler, der genauso hart zu sich selbst war wie zu seinen Mitspielern.
Johnny Haynes, c 1965
Typisch für ihn war seine "hands in hips"-Pose, wenn er unzufrieden mit der oft nicht so genialen Arbeit seiner Mitspieler war. Er ist der Spieler, der den Rekord hält, was Spiele betrifft. Haynes war England-Kapitän Ende der 50er/Anfang der 60er, insgesamt sammelten sich 56 Länderspiele auf seinem Konto. 1962 war er involviert in einen schweren Autounfall in Blackpool, und als er wieder fit war, war er nicht mehr der Alte. Er verlor seinen Platz im Nationalteam. Ansonsten wären wohl zwei Fulham-Spieler Weltmeister geworden 1966. Es wäre der Höhepunkt in Haynes' Karriere gewesen. So blieb er ein unvollendetes Genie, auch wenn Pelé ihn mal als "besten Passer, den ich je gesehen habe" bezeichnete. Bis 1970 spielte er noch für Fulham, zum Schluss jedoch nur noch in Division Three. Ein schwaches Ende für einen der besten Fußballer, die England je hervorgebracht hat.

Haynes starb 2005 nach einem schweren Autounfall bei Edinburgh, grade mal 71 Jahre wurde er alt. Sein bester Freund seit Kindertagen, Tosh Chamberlain, legte am Cottage einen Kranz für "Johnny" nieder.

Nach sechs Jahren Bedford Jezzard war es 1964 ein Transfer, der das Ende der Ära markierte: Der Wechsel des englischen Nationalspielers Alan Mullery zu den Spurs wurde von Klubpräsident Tommy Trinder, einem national bekannten Comedian und Entertainer, hinter dem Rücken von Jezzard verhandelt. Der Manager erfuhr es erst von Mullery persönlich, in der Umkleidekabine in der Halbzeitpause eines Ligaspieles gegen Liverpool. Jezzard schmiss hin, auch weil die zunehmend unruhige und von Geld geprägte Welt des Fußball-'Business' ihm nicht mehr zusagte.

Er zog sich, noch nichtmal 40-jährig, aus dem Geschäft zurück und leitete einen Pub ganz in der Nähe von Hammersmith. Er besuchte das Cottage noch gelegentlich und blieb mit einigen Kollegen eng befreundet, beispielsweise Johnny Haynes und Sir Bobby Robson.

Er starb 77jährig im Jahre 2005. In seinen letzten Jahren litt er unter starker Demenz.

In einem gut gemeinten Versuch, Fulham zu einem professionelleren Verein zu machen und den Klub endlich in der Eliteklasse zu etablieren, suchte Trinder nach einem Manager mit einem gewissen Standing. Die Wahl fiel auf den Londoner Vic Buckingham, eine renommierten Fußballehrer, der, ganz ähnlich wie der in der letzten Woche beschriebene Jimmy Hogan, seine Meriten in erster Linie im Ausland erworben hatte. In Amsterdam hatte er - so erzählt man es sich - den jungen Johan Cruyff entdeckt, entwickelte zudem seine Idee vom "Total Football" und gilt somit als einer der Vorläufer des modernen, schnellen Kurzpassspiels, das in den kommenden Jahren und Jahrzehnten den Fußball revolutionieren sollte.

Doch genau wie Hogan waren seine Ideen wohl zu fortschrittlich für den englischen Fußball - oder schlichtweg nicht geeignet. Den bei Fulham hinterließ Buckingham ein personalpolitisches Trümmerfeld.
Der neue Manager Vic Buckingham (l.) mit den Spielern Haynes, Chamberlain (liegend),
Co-Trainer Joe Bacuzzi und Maurice Cook (v.l.n.r.)

In zwei aufeinanderfolgenden Jahren ging es von Fulham aus der Ersten hinunter in die dritte Liga. Dies geschah als Resultat von zu viel 'change' in zu kurzer Zeit. Frank Osborne trat zurück, Trainer Penn, seit fast 50 Jahren im Verein, beendete seine Karriere und starb nur ein Jahr später, Reservetrainer und Ex-Spieler Joe Bacuzzi wurde entlassen. Die großen Spieler der Jezzard-Ära, Tosh Chamberlain, Rodney Marsh, Jimmy Langley, Graham Leggat oder Maurice Cook, mussten den Verein verlassen und wurden nur unzureichend ersetzt, vor allem mit Altstars wie Terry Dyson oder dem 'Busby Babe' Mark Pearson.

Einzig die Ernennung des einmaligen Coaches Dave Sexton verhinderte den Abstieg schon in Buckinghams Debütsaison 1966/67.


Johnny Haynes fotografiert seine Teamkollegen Stan Brown, Joe Gilroy, Johnny Byrne,
Frank Large, John Ryan, Steve Earle und Les Barrett (v.l.n.r.), 1968

Doch im nächsten Jahr ging die Falltür auf - und darauffolgenden Jahr erneut. Da war Buckingham freilich schon nicht mehr im Amt. Er verließ Fulham im Januar 1968. Er war weiterhin Trainer, unter anderem beim FC Barcelona, jedoch gehörten seine Erfolge da schon der Vergangenheit an. Er starb 1995 in Chichester.

Im Januar 1968 hatte Bobby Robson die schwere Aufgabe, Fulham Status als Erstligamannschaft zu erhalten. Der ehemalige Spieler (370 Spiele für Fulham) hatte im Mai 1967 seine Karriere beendet und trainierte in Kanada, als er einen Anruf von Vorstandsmitglied Graham Hortrop erhielt. Ob ich vorstellen könne, bei Fulham zu übernehmen. Robson sagte zu. Es war allerdings nicht mehr als ein Selbstmordkommando, für jeden Coach. Und vor allem für einen so Unerfahrenen wie Robson.

Von 24 Spielen hatte Buckinghams Team 14 verloren, nur sechs gewonnen. Robson schaffte es nicht, den schwachen Kader vor dem Abstieg zu bewahren. Niemand machte Robson Vorwürfe, doch die Alarmglocken begannen im Vorstand zu schrillen, als man auch im kommenden Jahr am Tabellenende der Division Two angelangt war. Es war nicht klar, warum das Team auch in der zweiten Liga zu abschmierte - viele der Spieler hatten Erstligaerfahrung, zudem waren talentierte Youngster wie Malcolm Macdonald mit von der Partie.
Bobby Robson (m.) mit Tony Macedo (l.) und Johnny Haynes
Robson wurde nach nur zehn Monaten entlassen. Rückblickend muss man sich fragen, was hätte werden können, wenn man ihm mehr Zeit gegeben hätte. Denn nach dieser Feuertaufe bei den Cottagers managte er mit größtem Erfolg unter anderem Ipswich Town, das englische Nationalteam, den FC Barcelona, den FC Porto, PSV Eindhoven und Newcastle United.

Er ist eine Ikone des Fußballs, einer der ganz Großen. Sowohl bei Ipswich, als auch bei Newcastle und Fulham gilt er als Klublegende. Er starb 2009, nach einem langen Kampf gegen verschiedene Arten von Krebs. Da er so oft den Krebs besiegt hatte, raunt man sich mithin einen Spruch zu, der den 'Fußballmenschen' Robson treffend beschreibt: 'Sir Bobby didn't lose his battle to cancer. He beat it 4-1.'

Nach seinem Rauswurf übernahm vorerst der nimmermüde Johnny Haynes, auch wenn er das Rampenlicht scheute. Auf seinen Vorschlag hin ernannte das Board den ehemaligen Fulham-Spieler Bill Dodgin, Jr., der während der Amtszeit seines Vaters 1949 zu den Cottagers kam.

Bill Dodgin, Jr.
Dodgin, Jr. war während seiner aktiven Karriere ein ziemlich durchschnittlicher Innenverteidiger, der zweimal für Fulham aktiv war, sowohl vor als auch nach einem achtjährigen Aufenthalt bei Arsenal. Ein Beinbruch beendete 1963 seine aktive Karriere und er wurde ein Coach, erst bei Millwall, dann bei QPR.

1968 wurde er von den Queens Park Rangers verpflichtet, wo er unter Manager Alec Stock Co-Trainer war und diesen im Januar 1968 beerbte. Er brauchte 18 Monate, um Fulham zu transformieren und den Absturz zu stoppen. Nach der Saison 1968/69 stieg Fulham abermals ab, in die Division Three. Doch im Jahre 1971 stieg Fulham wieder in die League Two auf, mit einem sehr offensiv ausgerichteteten Spielstil. Als Dodgin, Jr. Fulham aber im kommenden Jahr nur mit größter Mühe in der zweiten Spielklasse halten konnte, feuerte Trinder auch ihn.

Er trainierte in der Folge Brentford und Northampton und kam 1994 sogar noch mal als Youth Development Officer zurück. Wie auch Bedford Jezzard litt Dodgin, Jr. in seinen letzten Jahren an Demenz. Er starb im Juni 2000, nur acht Monate nach seinem Vater.

Sein Nachfolger bei Fulham wurde sein Vorgänger bei QPR, Alec Stock. Stock war ein überaus erfahrener Manager, der schon bei Leyton Orient, dem AS Rom, Luton und den Queens Park Rangers gearbeitete hatte. Der aus Somerset stammende Stock war Tage vor Dodgins Entlassung bei Luton zurückgetreten und wurde sofort zum neuen Manager ernannt. Er war Mayor bei der Army gewesen, ein wenig schwerhörig und Asthmatiker. Ein akribischer und smarter Arbeiter, der die Fans schnell überzeugte, die ihm anfangs skeptisch gegenüberstanden.

Er stand für Beständigkeit. In seinen vier Jahren 'in charge' schaffte man immer Platzierungen zwischen 9 und 13, erzielte immer zwischen 44 und 42 Punkten. Er war kein großer Taktiker, sondern mehr ein 'man manager', der bei seinen Spielern sehr respektiert war.
Alec Stock

Er kaufte gut ein (Slough, Busby und die beiden alten Weltstars Mullery und Bobby Moore) und gab Youngstern eine Möglichkeit, sich zu zeigen (Strong, Mitchell und Lacy)

Sein größter Erfolg war zweifellos, dass er Fulham zum ersten und bisher einzigen Mal in ein FA Cup-Finale brachte. Nach vier Halbfinalniederlagen (1908, 1936, 1958 und 1962) war es für viele Fans genug, überhaupt endlich mal in Wembley zu sein. Alec Stock versprach den Fan jedoch "wir sind nicht hier hergekommen, um zu verlieren." Im Finale verlor man allerdings doch; gegen West Ham, durch zwei Tore des Toptorjägers Alan Taylor.
Doch der Run ins Finale war bemerkenswert. Es war die längste Reise, die je ein Verein ins Finale hinlegen musste. 11 Spiele mussten die Cottagers bestehen, darunter vier Partien, die in die Verlängerung gingen. Kein Spiel musste gegen eine Mannschaft aus einer niedrigeren Liga bestritten werden, sondern nur gegen Topteams aus der ersten Liga.

Mullery (l.) und Moore nach dem Finale

Für Fulhams neuen Innenverteidiger, den Oldie Bobby Moore, der 1966 als Kapitän der englischen Nationalmannschaft den Coupé Jules Rimet in die Höhe recken durfte, war das Finale das Duell gegen den Klub, der ihn zur Legende machte. Für Moore und den zurückgekehrten Alan Mullery war es außerdem ein 'last hurrah' in dem Stadion, in dem sie ihre größten Erfolge feierten. Am Ende des Tages schoss war West Ham wahrscheinlich das etwas cleverere Team, das zwei Fehler des Fulham-Torwartes Peter Mellor eiskalt bestrafte.

Die Cottagers hielten gut mit gegen den Erstligisten aus Ostlondon, "doch am Ende", so schrieb Hugh McIlvanney, "gehörte der Tag den Favoriten, aber Fulham kann stolz sein auf das Erreichte."

Es sollte der letzte Höhepunkt für eine lange Zeit sein.

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Nächste Woche: "The Lowest Ebb - der schmerzvolle Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Die Jahre 1975-1997"

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